Schrebergärten sind begehrt

Die Schrebergärten, auch genannt Kleingärten oder Stadtgärten, sind mittlerweile wieder voll im Trend. Seit der Pandemie ist die Nachfrage bei den Kleingartenvereinen riesengroß, so dass zwischenzeitlich die Wartelisten bei den meisten Vereinen geschlossen wurden. Unseren Kleingarten haben wir überraschend schnell im Dezember 2018 im Essener Süden pachten können. Die Pächter und Pächterinnen verfügen dabei über ein Stück Land, das vom Verein verwaltet wird. Sie sind in der Regel nicht Eigentümer des Grundstücks. Eine Parzelle ist in der Regerl zwischen 370 und 600 qm groß.

Kleingärtner sind spießig ?

Ich war skeptisch, als meine Frau eine Parzelle übernahm. Die Vorurteile Spießbürgertum und Vereinsmeierei gingen mir damals durch den Kopf. Die vielen positiven Erfahrungen haben mich schließlich überzeugt. Es gibt mittlerweile einen Imagewechsel im Kleingartenwesen. Ökologisches Klein-Gärtnern ist voll im Trend und attraktiv geworden. Die Kleingärten leisten einen sehr wichtigen stadtklimatischen Beitrag bei den städtischen Grün- und Freiflächen.

So ist bekannt, dass Kleingärten die Städte im Sommer abkühlen und in der Lage sind, Wasser aufzunehmen und zu speichern. Die Pflanzendichte und das Wasserspeicherungsvermögen des Bodens tragen auch dazu bei, dass die Umgebungstemperatur von Kleingartenanlagen an heißen Sommer-tagen bis fünf Grad unter der im sonstigen Stadtgebiet liegt. Dieser Effekt reicht sogar bis in die Umgebung hinein.

Das soziale Miteinander und die unterstützende Hilfe der Menschen in der Anlage, insbesondere bei den unmittelbaren Nachbarn, bewegt mich sehr. Solidarität, Hilfe und Respekt – Werte, die unserer Gesellschaft mehr und mehr abhanden kommen. Hier kommen Menschen aus allen Generationen, aus unterschiedlichen sozialen Milieus und Migrationshintergründen, Singles, Senioren so wie Paare und Familien mit Kindern zusammen. Und während der Erntezeit blüht der Tauschhandel unter den Pächtern und Pächterinnen.

Kleingarten kostet Geld …

Die Höhe der Pacht bestimmt sich nicht nach den Regeln des freien Marktes und ist günstig. Unsere Pacht beträgt jährlich 30 Cent pro Quadratmeter. Neben der Pacht fallen jedoch noch ein Mitgliedsbeitrag für den Verein, kommunale Abgaben, Versicherungen, Strom- und Wasserkosten an. Während die monatlichen Fixkosten erschwinglich sind, muss du bei der Übernahme eines Kleingartens an die Vorpächterin eine Übernahmesumme von Laube, Pflanzen, Sträuchern und eventuell vorhandenen Obstbäumen bezahlen. Denn sie gehören nicht zum Pachtvertrag. Damit es nicht zu unfairen Summen kommt, schätzt ein Experte des Stadtverbandes (Wertermittler/in) den Wert der Parzelle auf der Grundlage amtlicher und einheitlicher Bewertungsmaßstäbe. Der Wertermittlungspreis ist für den Verkäufer verbindlich (!).

… und Zeit

Neben den finanziellen Kosten musst du auch berücksichtigen, dass ein Schreibergarten auch (viel) Zeit kostet. Und wie in jeder Gemeinschaft geht es nicht ohne Regeln. So müssen sich die Pächter und Pächterinnen an die Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes und der jeweiligen Satzung ihres Vereins halten. Es reicht nicht aus, nur an den Wochenenden im Garten vorzuschauen und zu chillen. Denn auf mindestens einem Drittel der Fläche musst du auch Obst und Gemüse anbauen. Auch musst du deinen Zugangsweg zur Parzelle pflegen, denn die Kleingartenanlage ist öffentlich zugänglich und hat einen Erholungswert für die Mitbürger und Mitbürgerinnen. In unserem Verein sind 12 Arbeitsstunden Gemeinschaftsarbeit im Jahr zu leisten. Wenn du keine Pflichtsstunden leisten möchtest, ist von Dir stattdessen ein Betrag in die Vereinskasse zu zahlen. Aber trotzdem: der Erholungswert ist unbezahlbar. Solange du dich an die Regeln hältst und die Fläche grundsätzlich für Erholung und kleingärtnerische Selbstversorgung nutzt, kann niemand dir dein Pachtland nehmen.

Aufgrund der riesigen Nachfrage ist mit einer lngen Wartezeit zu rechnen, da es kaum freie Parzellen gibt.

Unsere Landesverfassung fördert Kleingärten

Übrigens ist NRW das einzige Bundesland, in dem die Förderung des Kleingartenwesens über die Landesverfassung festgeschrieben ist: „Die Kleingartensiedlung und das Kleingartenwesen ist zu fördern“ (Artikel 29, Absatz 3).

Und noch ein politischer Hinweis: Interessierte Kreise in der Stadt möchten am liebsten Teile der Kleingärten aufgrund des „Flächendrucks“ in lukrative Wohngrundstücke umwidmen. Ja, Wohngrundstücke werden knapp. Wir brauchen aber auf der anderen Seite in der „Grünen Hauptstadt“ grüne Lungen und Erholungsgebiete. Der Stadtverband Kleingärten wandte sich 2016 deshalb an den Petitionsausschuss des Landtages, weil er sich solchen Begehrlichkeiten ausgesetzt sah.

Die Stadt Essen hat mittlerweile ein Kleingartenentwicklungskonzept erarbeitet, das eine Bestandsaufnahme des Kleingartenwesens beinhaltet und Bestandteil der Freiraumplanung sein soll. Nun sollen Handlungsempfehlungen folgen. Aktuell gibt es in Essen statistisch gesehen 1,5 Kleingärten pro 100 Einwohner. Der Gutachter Detlev Ehmkes empfiehlt der Stadt, das Ziel von zwei Kleingärten anzustreben.

Und hier ein paar Zahlen:

Die Stadt Essen verfügt über 109 städtische und private Kleingartenvereine mit insgesamt 262 Kleingartenanlagen und rund 9000 Kleingärtnerinnen und Kleingärtner, die 8500 Parzellen bewirtschaften. Der Stadtverband der Kleingärtnervereine blickt 2019 auf sein 100-jähriges Bestehen zurück. Er tituliert mit Recht die Kleingärten in Stadtgärten um, denn immerhin kultivieren die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner 300 Hektar des Stadtgebietes.


mehr zum Thema (externe Links)

Stadtverband Essen der Kleingärtnervereine e.V.

de.wikipedia.org/wiki/Kleingarten

Sachstand Entwicklungskonzept Kleingärten Stadt Essen

Bestandsübersicht Kleingärten in Essen

Schrebergarten-Jugend „Hidden Champions-Urbanes Gärtnern und Selbstversorgung

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V.

Video über Deutschlands Kleingärten

Fédération Internationale des Jardins Familiaux association

Das deutsche Kleingartenwesen

Situation in Europa und USA