Vancouver

Grünes Vancouver

ein Reisebericht

Im September 2018 haben mein Mann und ich 11 Tage Vancouver an der kanadischen Westküste besucht. Der Liebe wegen. Meine ehemalige Arbeitskollegin und Freundin hat zur Hochzeit mit ihrem kanadischen „Firefighter“eingeladen – die beiden haben sich vor 3 ½ Jahren in Barcelona kennengelernt und sie ist vor 2 Jahren nach Vancouver ausgewandert. Die Einladung zu den Feierlichkeiten haben wir natürlich gerne ange­nommen.

Neben den üblichen Sehenswürdigkeiten interes­sierte uns die grüne Seite der Metropole Vancou­ver mit 2,5 Mio. Einwohnern. Was uns überrascht: Vancouver möchte mit ihrem Greenest City 2020 Action Plan die umweltfreundlichste Stadt der Welt werden. Zu den 10 beschlossenen sozialen und umweltpoliti­schen Zielen zählen die drastische Reduzierung von Müll und des CO2 Ausstoßes sowie die Verbesserung regionaler Ökosysteme.

O-Busse und Bio-Verbote

Auf dem Weg vom Flughafen zu unserer außer­halb von Downtown gelegenen Ferienwohnung sind wir gleich an einem großen Recycling Center vorbeigefahren und neben uns auf der Strasse sind elektrische Oberleitungs­busse (O-Busse) unterwegs (https://de.wikipedia.org/wiki/Oberleitungsbus_Vancouver). In Essen verkehrte der O-Bus von 1949 bis 1957 auf einer 5 km langen Strecke von Stadtwald nach Heisingen.

In der FeWo werden wir von unseren Gastgebern David und Dominique begrüßt. Und sie erklären uns gleich das Abfallsystem. Hinten im Garten gibt es zahlreiche Container für Papier, Biomüll, Recyclingstoffe und Restmüll, die wöchentlich abgeholt werden.

Seit 2015 dürfen in Vancouver keine Essenreste mehr in den Müll wandern, da Lebensmittelabfälle etwa 40 Prozent des städtischen Müllaufkommens ausgemacht haben. Lokale Gärten und Bauern­höfe erhalten somit fruchtbaren Humus. Eine Kampagne „Hey! Food is’nt garbage“ macht klar, was in die Biotonne gehört.

City-Farming

Die Stadt will auch mehr Anlaufstellen für frische Nahrungsmittel fördern, wie durch Gemein­schaftsgärten, urbane Farmen und Obstgärten (victorygardensvancouver.ca). Lokal produzierte Lebensmittel vermeiden lange Transportwege. Mit fast zwei Hektar Anbaufläche im Innenstadt­bereich zählt Sole Food Farms somit zu Vancouvers interessantesten Nachhaltigkeitsprojekten (solefoodfarms.com). 

Regionale Lebensmittel und ihre Erzeuger stehen in Vancouver hoch im Kurs. Viele Restaurants und Lebensmittelgeschäfte versorgen ihre Kunden mittlerweile mit Meeresfrüchten, Gemüse, Fleisch und sogar Bier aus der Provinz British Columbia (urbanfarmers.ca). Ocean Wise steht für nachhaltigen, umweltschonenden Fischfang (oceanwise.de). Weinliebhaber können mit Weinen aus dem nahen Okanagan Valley ihrem Vergnügen frönen. Ich habe einige Weine probiert – SUPER, sie sind qualitativ und geschmacklich auf dem gleichen Niveau wie die französischen oder italienischen Weine.

Zahlreiche Restaurants weisen entsprechende Gerichte mit dem OW-Symbol aus. Die Bewegung Green Table Network (greentable.net) hilft bei der Suche nach örtlichen Lokalen. Es gibt örtliche Bauernmärkte und viele Geschäfte, die Bioware verkaufen (eatlocal.org, Nesters Market Grocery Stores) und den natürlich den Granville Island Market, auf dem wir dunklen (nicht süßen) Ahornsirup erstanden haben. In Downtown gibt es übrigens die größte Dichte von Foodtrucks in Kanada – mit den kuriosten Namen – FAT DUCK – und Spezialitäten aus aller Welt.

Auf einer selbstgeführten Circle Farm Tour – nur 80 km entfernt – haben wir eindrucksvoll das Landleben von Abbotsford und Langley in der Umgebung von Vancouver erkundet. Die Circle Farm Tour ist eine landwirtschaftlich orientierte Straßenkarte, die uns zu einer Vielzahl von Bauernmärkten, Spezialitäten-verkäufern, Farmen und besonderen Veranstaltungen führt. Wir haben einen hervorragend Ziegenkäse für unser Frühstück mitgenommen und Eis aus der Ziegenmilch gekostet. Jede Karte der teilnehmenden Region weist 10 bis 20 Aktivitäten aus (circlefarmtour.com).

Vancouver mit dem Rad erkunden

Gegen 8 Uhr geht das Gartentor im Backyard und Dominique, unsere Vermieterin, steigt auf ihr Fahrrad um zur Schule zu gelangen, nicht unbedingt an Regentagen. Am häufigsten regnet es zwischen November und März. In dieser Zeit kann es an 20 Tagen hintereinander regnen. Das ganze Jahr über muss man in Vancouver mit 166 Regentagen rechnen. Ansonsten hat Vancouver ein mildes Wetter wegen dem Japanstrom.

Vor dem Haus verläuft eine gekennzeichnete Fahrradstraße, die ein Radfahrerherz höher schlagen lässt.Vancouver hat ein über 300 km langes Radewegenetz, das ein ökologisches Sightseeing möglich macht. Die Stadt lässt sich wirklich gut mit dem Rad erkunden (https://vancouver.ca/streets-transportation/protected-bicycle-lanes.aspx).

Wir haben den geteerten Stanley Park Seawall und die Seaside Bicycle Route mit dem Rad (ca. 25 km) befahren und hatten einen herrlichen Blick auf das Meer, den Wald, Downtown und die Berge gehabt. Viele Fotomotive fanden den Weg in unsere Kamera.

Der Stanley Park soll der größte und schönste in ganz Kanada sein. Mit einer Fläche von vier Quadratkilometern ist der Park zehn Prozent größer als der Central Park in New York. Radfahrer in Vancouver müssen sich nicht mehr den Raum aufgrund der neuen „Green Lanes“ nicht mehr mit den Autofahrern und Fußgängern teilen. Die Radstreifen sind durch eine Barriere (Betonplatten, Blumenkästen) vom Kraftverkehr getrennt. Das Radfahren in einer Großstadt machte hier richtig Spaß und war stressfrei für uns. 

Wir würden niemals in die Innenstadt von Essen mit dem Rad fahren. Wie gute Radwege aussehen könnten, sehen wir hier. Unsere Stadt Essen will Fahrradstadt werden, doch die Infrastruktur ist trotz mancher Verbesserung sehr mangelhaft. Die Politik tut sich schwer, die auf die Bedürfnisse des Kraftverkehrs zugeschnittene Infrastruktur (z.B. die Diskussion um die Rüttenscheider Straße) zu verändern. Den politisch Verantwortlichen und die Stadtverwaltung fehlt m.E. der Mut und die Weitsicht, radikale Umgestaltungen von Straßen in Essen vorzunehmen.

Ja, Vancouver macht es uns wirklich leicht, diese Stadt zu lieben. Die Lage am Wasser mit Blick auf die Berge im Hintergrund ist einfach umwerfend. Wir haben jede Menge von der Stadt gesehen – ja, auch die sichtbaren, sozialen Probleme (Downtown Eastside) – gut gegessen und getrunken, und vor allem nie das Gefühl gehabt, in einem der größten Metropol-Regionen Kanadas zu sein.

Vancouver, we will come back !

mehr zum Thema

www.vancouver.ca/green-vancouver/greenest-city-action-plan.aspx

www.victorygardensvancouver.ca

www.solefoodfarms.com

www.urbanfarmers.ca

www.oceanwise.ca

www.greentable.net

www.eatlocal.org

www.circlefarmtour.com

www.vancouver.ca/streets-transportation/protected-bicycle-lanes.aspx